Als ich nach Deutschland kam...Ahmet Güven

Gastarbeiter aus der Türkei und Italien erzählen, wie sie in den 60-iger Jahren nach Deutschland kamen und eine Deutsche Seniorin berichtet, wie sie die Zuwanderung erlebt hat. In der fünften Folge dieser Artikelserie berichtet Ahmet Güven über seine Erlebnisse:

a guevenAhmet Güven

Geboren am: 1.3.1946
Geburtsort: Türkei
In Deutschland seit 13.8.1969
Grund der Einwanderung Arbeitsstelle bei Ford
Beruflicher Werdegang: Fordarbeiter 1969-2004
Urlaubsort: Türkei 4 - 5 Monate
 

Ahmet Güven ist ein Mensch, der überlegt handelt. Seine gewählten Worte und seine Zurückhaltung erzeugen Autorität, die nicht aufgesetzt wirkt. Und… er trägt ihn, den typischen Schnurrbart, an dem früher viele türkische Gastarbeiter erkannt wurden. Ahmet Güven erscheint geradlinig und ein wenig konservativ. Durch die Ausübung seiner Religion und den Kontakt zu seinen türkischen Mitmenschen hat er ein Fundament geschaffen, auf dem sich Ahmet und seine Familie in beiden Welten entwickeln konnten.

Guten Tag,mein Name ist Güven,Ahmet… …ich bin am 13.August 1965 aus der Türkei nach Deutschland gekommen.Anfangs habe ich inWeidenpesch in einem Ford-Wohnheim gewohnt. Ich habe mich nie einsam gefühlt und habe mir hier, gemeinsam mit meiner Frau, ein Leben aufgebaut.

In der Türkei war Ahmet Güven arbeitslos. Also stellte er einen Arbeitsantrag, um in Deutschland arbeiten zu können. Relativ schnell bekam der junge Mann eine Zusage und im Sommer 1969 ging die Reise los. Die Arbeitsstelle bei Ford in Köln war vorerst auf ein Jahr befristet. Doch schnell war klar, dass er bleiben wollte. Im Urlaub in der Türkei heiratete Ahmet Güven seine langjährige Verlobte und brachte sie mit nach Köln. Somit war er nur zehn Monate allein hier in Deutschland gewesen.

Im Arbeiterwohnheim, in dem der 23-jährige Mann wohnte, waren die Gastarbeiter unter sich. Auch an der Arbeit bei Ford, war Ahmet nie allein. Es war ein Zufall, denn zur selben Zeit kamen ein Cousin und Schulkameraden ebenfalls nach Köln. Sie haben zusammen gekocht und sind gemeinsam in eine Moschee gegangen. Auf die Frage, ob es 1969 bereits Moscheen in Deutschland gab, antwortete er,

ja, sie wurde im Keller des Wohnheims eingerichtet. Es war ein großer Raum.Dort haben wir uns getroffen.

Seine Religion und die Gemeinschaft haben dem türkischen Mann in der Fremde Halt gegeben. Nachdem Ahmet Güven seine Frau geheiratet hatte, besorgte er ihnen in Köln eine Wohnung. Seine Frau ging nicht arbeiten, sondern kümmerte sich um ihre drei Kinder. Die Güvens sind seit 40 Jahren ein Paar und kennen sich schon seit der Schulzeit.

Ahmet Güven ist im Allgemeinen ein treuer Mensch. Ehe er in ein Lokal geht, geht er lieber in die Moschee. So wuchsen seine Kinder, zwei Töchter und ein Sohn hier in Köln auf. Bei einem Besuch einer seiner Töchter wird klar, dass sie sowohl in der türkischen, wie in der deutschen Welt zu Hause ist. Souverän weiß sie um die türkischen Umgangsformen und vertritt ihre Rolle auf sympathische Art. Sie ist studierte Journalistin und mit einem deutschen Mann verheiratet. Die junge Frau scheint nicht zwischen den Stühlen zu sitzen, sondern weiß intuitiv, welches Selbstverständnis die jeweiligen Menschen haben.

familie gAhmet Güven als stolzer Vater erzählt, dass seine Kinder sich gut integriert haben. Alle haben sie studiert und einen guten Beruf erlernt. Die älteste Tochter lebt mittlerweile in Ankara und unterrichtet Deutsch an einem Gymnasium. Seine Kinder schenkten Ahmet Güven jeweils ein Enkelkind.

Halt in der eigenen Kultur zu finden, ist die eine Seite. Die Sprache zu erlernen, ist die andere. Es war natürlich schwer, wenn man nur unter seinesgleichen ist. So nutzte Ahmet Güven die Gelegenheit im Arbeiterwohnheim. Denn hier kam jeden zweiten Tag eine Deutschlehrerin zu ihnen. Ahmet Güven nahm an dem Sprachkurs teil und hat eine Bescheinigung dafür bekommen. Es war ihm früh klar geworden, dass er die Sprache lernen musste.

Was schwieriger für den gläubigen Moslem war, war die schweinefleisch-lastige deutsche Küche. So musste er sich Abhilfe schaffen.

Ich habe in der Kantine kein Fleisch gegessen. Ich habe mir mein Butterbrot von zu Hause mitgebracht und habe es dort gegessen. Gegenüber dem Betrieb gab es eine türkische Metzgerei, wenn dann habe ich mir dort Essen gekauft. Abends haben wir im Wohnheim gekocht und später meine Frau.

Auch wenn er sich nicht einsam fühlte, war die Sehnsucht nach der Türkei zu Beginn sehr groß. Deutschland war ein fremdes Land, so vieles war anders als in der Türkei. Also arbeitete Ahmet Güven das ganze Jahr über, um dann sechs Wochen lang Urlaub in der Türkei zu machen. Er reiste mit seiner Frau von Stadt zu Stadt und sie besuchten alle, die sie kannten.

Früher sind wir zu zwanzi gMann mit demAuto in die Türkei gefahren. Als in Jugoslawien der Krieg begann, hörte das auf. Ich hatte mir gerade ein neues Auto besorgt. Aber das ist nie in die Türkei gefahren, weil wir dann geflogen sind.

Zurück wollte er jedoch nicht gehen. Nach 35 Jahren bei Ford als Werkzeugmacher wurde Ahmet Güven entlassen. Nach 32 Monaten Arbeitslosigkeit erreichte er seinen Vorruhestand.

Seitdem verbringt er die Sommer in der Türkei. Natürlich gemeinsam mit seiner Frau und seiner Familie.

Auf die Frage, wo er sich zu Hause fühle, antwortet Ahmet Güven abgeklärt:

Ich mache mir keine Gedanken mehr darüber, wo mein zu Hause ist. Einmal da, einmal da. Acht Monate Deutschland und vier Monate Türkei. Das sind zwei Leben.

Ahmet Güven ist zufrieden. Das sieht man ihm an. Als gläubiger Moslem zeigt er, dass es möglich ist, sich in die abendländische Kultur zu integrieren. Vielleicht ist es sogar grundlegend besser, nicht zu viel seiner Wurzeln zu kappen. Die Geschichte von Ahmet Güven zeigt, dass sein Weg zu Zufriedenheit führte und es auch an einem selber liegt, wie man sein Schicksal annimmt.

als ich nach deutschlandWeitere Geschichten finden Sie hier: Erzählwerkstatt "Als ich nach Deutschland kam..."

Die Geschichten der Erzählwerkstatt "Als ich nach Deutschland kam..." sind außerdem in einer Broschüre erschienen. Herausgeberin ist Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Köln e.V., Frau Ulli Volland-Dörmann, Rubensstr. 7-13, 50676 Köln Layout: GNN-Verlag Köln

Die Broschüre finden Sie in zahlreichen Begegnungsorten in Mülheim ausgelegt. Oder Sie können sie direkt im IFS - Interkulturelles Forum für Senioren, in der Dünnwalder Str. 5, 51063 Köln-Mülheim bekommen.

Öffnungszeiten: Dienstag - Donnerstag: 14.00 - 16.00 Uhr

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